Rustico renovieren #1: Das Dach

Ich hab’s im letzten Beitrag angekündigt: Ab sofort bekommt ihr konkrete Hilfestellungen für die Renovierung eures Rustico. Also keine Ausreden mehr, jetzt müsst ihr ran!
Und wo beginnt die Renovierung eines Rustico in der Regel? Genau – am Dach. Denn das ist die Schwachstelle bei den meisten der erschwinglichen Häuser, die zum Verkauf stehen. Doch das Dach muss dicht sein, bevor der Rest des Hauses angegangen wird.

Auch hier gibt es wie immer verschiedene Ausgangslagen, die unterschiedliche Herangehensweisen verlangen.

Normalerweise wird das Dach eures Rustico einen der folgenden Zustände aufweisen:

  1. Es ist nicht mehr oder nur noch in Teilen vorhanden
  2. Ein klassisches altes Steindach, mehr oder (in den meisten Fällen) weniger dicht und oft abenteuerlich ausgeführt, in Folien oder Planen eingepackt, mit Dachziegeln oder Blechplatten repariert … oder mit etwas Glück auch mal in hervorragendem originalem Zustand
  3. Dachstuhl und Dach wurden bereits erneuert und als Ziegel- oder Blechdach je nach Verwendungszweck der Hütte unterschiedlich ausgeführt.
Vor 20 Jahren (ihr erkennt das Alter des Fotos an der Bildqualität) gab es selbst in den Dörfern (hier: Viggiona) noch etliche steingedeckte Häuser. Heute leider kaum mehr zu finden.

Ich habe alle drei Varianten in meinem Bestand – von der eingefallenen Ruine über Steindächer mit ersten Löchern, dann gut erhaltene Steindächer, bessere und schlechtere Blechdächer (gibt’s die überhaupt in „besser“?) bis hin zu guten und schlechten Ziegeldächern. Viel Gelegenheit, sich auszutoben! Was wir auch schon zur Genüge gemacht haben. Deshalb kann ich schon mal vorab drei grundsätzliche Empfehlungen geben:

  1. Wenn das Dach bereits eingefallen ist, erste Löcher oder auch nur sichtbare Dellen hat, hilft meist nur eins: Alles runter, neuer Dachstuhl, neues Dach (natürlich nach vorherigem Bauantrag). Idealerweise mit Ziegeln eingedeckt.
    Jaaaa – auch ich finde Steindächer schöner, aber der finanzielle Aufwand ist zu hoch und die Arbeit lohnt sich kaum. Außer da, wo die Baugenehmigung ein Steindach zwingend fordert. Wenn dann aber so ein Schieferdach dabei rauskommt oder ein Steindach aus maschinell gefrästem Granit, der zudem noch aus der Schweiz importiert werden musste … dann lieber einfache, unauffällige Dachziegel.
  2. Ist das Steindach noch intakt und ohne auffälligen Verschleiß, solltet ihr
    a) das Dach und die Unterkonstruktion genauer in Augenschein nehmen,
    b) überlegen, wie ihr das Haus später nutzen wollt und
    c) darüber nachdenken, wie viel Arbeit euch das attraktive Steindach in den nächsten Jahrzehnten wert ist.
    Denn der Erhalt eines Steindachs lohnt nicht immer.
    Ist die Unterkonstruktion – sprich das Holz unterm Dach – sehr massiv ausgeführt, macht ein Erhalt mehr Sinn als wenn für den Dachstuhl nur wenige starke Stämme und dafür viele Äste mit nur wenigen cm Durchmesser verwendet wurden. Sind die Stämme schwarz geräuchert halten sie länger als helles, naturfarbenes Holz.
    Sobald ihr das Dach von innen dicht macht – egal wie -, wird die Belastung der Holzkonstruktion durch Feuchtigkeit zunehmen, weil der Dachstuhl nicht mehr so gut belüftet wird. Dann können die Balken, Stämme und Äste, die 400 Jahre gehalten haben, in wenigen Jahren wegfaulen.
    Auch die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten des Hauses werden eure Entscheidung beeinflussen: Wenn ihr fest drin leben wollt oder eine intensive Bewohnung plant, bietet ein neues Dach viel mehr Komfort, Sicherheit und Wärmedämmung. Nutzt ihr das Haus nur wochenweise, dafür regelmäßig und mehrmals jährlich, stört das Steindach sicher weniger und ihr seid oft genug vor Ort, um den Zustand beobachten und pflegen zu können. Kommt ihr nur wenige Male pro Jahr, dafür für jeweils längere Zeit in euer Rustico, ist ein Steindach wieder weniger empfehlenswert, weil ihr dann garantiert zu spät merkt, wenn der letzte Sturm ein paar Platten verschoben hat, Nässe durchdringt, sich Ungeziefer breit macht oder weil schlicht das Haus zu lange verschlossen und damit nicht belüftet ist.
    Allgemein müsst ihr euch für den Erhalt eines Steindachs darauf einstellen, dass es immer wieder Probleme mit Feuchtigkeit und Ungeziefer geben wird und ihr eine ewige Baustelle habt. Trotzdem freue ich mich über jedes Steindach, das im originalen Zustand erhalten bleibt!
  3. Die komfortabelste, einfachste und dauerhafteste Lösung ist ein neuer Dachstuhl, evtl. doppelt ausgeführt und isoliert, eingedeckt mit Dachziegeln. Wenn ihr den Dachstuhl an der Innenseite aus rohen, längs halbierten Stämmen ausführt, bleibt der Charakter des Rustico zum Teil erhalten – das ist dann meine bevorzugte Lösung für Häuser, die dauerhaft bewohnt werden.

Hier mal ein paar Beispiele

Ob ich diese beiden Dächer noch erhalten kann/werde, habe ich auch nach 20 Jahren noch nicht endgültig entschieden … Wenn ihr sowas das erste mal angeht, rate ich von einem Erhalt solcher Dächer ab.
Unser erstes Rustico vor über 20 Jahren: Wenn der Dachstuhl innen so aussieht, lohnt sich der Erhalt des Steindachs.
Wenn das Steindach nach der Renovierung so aussieht oder gar mit Schiefer eingedeckt wurde, kann man auch gleich Dachziegel nehmen – das Ergebnis lohnt den immensen Aufwand kaum.

Weitere Rahmenbedingungen beeinflussen die Entscheidung maßgeblich

Es kommt nicht nur drauf an, wie das Dach aussieht, auch der Standort eures Häuschens wird die Entscheidung für oder gegen ein neues Dach beeinflussen. Denn wenn das Rustico so wie unser erstes Haus nur über einen zweistündigen Fußmarsch zu erreichen ist, nach Überquerung einiger Bäche und etwas Kletterei zwischendurch, kann das die Planung durchaus erschweren. Und mehr noch den Materialtransport. Wir können nur mit dem arbeiten, was wir auf dem Rücken transportieren können, denn die Hände brauchen wir ja zum Klettern.

Was bei Zementsäcken, Fliesen, Brettern oder einem neuen Ofen schon schwierig ist, wird bei einer kompletten Dacheindeckung aus Betonziegeln nahezu unmöglich. Bleibt noch der Hubschrauber. Der ist gar nicht soooo teuer. Aber Hubschraubertransporte lehne ich prinzipiell ab. Was ich selbst nicht tragen kann, darauf kann ich notfalls auch verzichten. Das hat auch den Vorteil, das wir eine hohe Motivation haben, mit dem Material zu arbeiten, das wir vor Ort vorfinden: Steine, Holz, Sand oder Kies. Und so behält das Rustico auch nach der Renovierung seinen Charakter.
Aber das müsst ihr nicht so dogmatisch sehen wie ich …

Die Lage des Rustico kann aber noch einen weitere Einschränkung zur Folge haben. Zwar müssen nicht mehr unbedingt alle alten Häuser mit Steindach auch wieder in Stein eingedeckt werden. Die meisten Kommunen bestehen aber nach wie vor in der Landwirtschaftszone darauf, dass Steindächer nur mit Steindächern renoviert werden.

Genug Theorie …

Das waren meine grundsätzlichen Vorbemerkungen zur Dach-Renovierung eures Rustico. Wenn ihr schon eine erste Idee habt, wie das neue Dach aussehen soll, könnt ihr euch zum nächsten Beitrag weiterklicken, der in den nächsten Tagen erscheinen wird: Meine Beschreibung, wie ein altes Dach soweit hergerichtet werden kann, dass es weitgehend original erhalten bleibt.

Diese Anleitungen erwarten euch in nächster Zeit

Ich möchte die langen Winterabende (und evtl. den nächsten Corona-Lockdown) nutzen, um sukzessive weitere detaillierte Anleitungen zu verfassen. Geplant sind:

  • Wie renoviere und erhalte ich ein originales Steindach?
    Hierzu kann es natürlich keine perfekte Schritt-für-Schritt-Anleitung geben, da die unterschiedlichen Dachkonstruktionen einfach zu viele verschiedene Anforderungen stellen. Aber ich werde versuchen, euch den richtigen Weg zu zeigen, wie ihr euer individuelles Dach am besten angeht.
  • Wenn bereits vom Vorbesitzer ein neuer Dachstuhl erstellt und offen mit Dachziegeln eingedeckt wurde: Wie geht man vor, um aus diesem Dach ein dichtes, schädlingsresistentes und bewohnbares Dach zu machen?
    Hier kann ich schon etwas detaillierter werden, da diese Dächer meist sehr ähnlich sind und damit auch die gleichen Maßnahmen erfordern.
  • Die Idealvorstellung: Das Dach ist bereits so gedeckt, dass die Außenhaut vermeintlich unverändert bleiben kann: Dachstuhl, Bretter (meist sägerau), Dachpappe oder -Vlies, Dachlatten, Dachplatten. Dann gilt es aber immer noch einiges zu prüfen, zu isolieren, zu verschönern.
    Bei solchen Dächern liegt der Teufel oft im Detail. Das sieht zwar alles toll aus, ist aber beispielsweise so gemacht, dass die Latten früher oder später wegfaulen, weil auf die Konterlattung verzichtet wurde und damit Feuchtigkeit an den Latten aufgestaut wird (ist uns schonmal passiert). Oder der First ist nicht dicht (ist uns auch schon mehrfach passiert). Oder die Verwahrung am Kamin leitet das Wasser unters Dach (… ja, auch das hatten wir schon …). Und so weiter … Außerdem muss noch isoliert werden, möglichst schädlingsresistent und so, dass es auch noch von innen gut aussieht.

Eines kann ich fast garantieren:

Ohne böse Überraschungen geht es kaum

Ich kenne kein einziges Rustico oder auch renoviertes Haus, das den neuen Besitzern nach dem Kauf nicht einige Kompromisse oder Aktivitäten abverlangt hat. Das soll euch jetzt nicht entmutigen oder vom Kauf abschrecken. Ich will nur von Vornherein klarstellen, dass Rustici in Italien nichts zu tun haben mit dem, was ihr in Deutschland so kennt. Zumindest wenn man die Gebäude der letzten hundert Jahre so anschaut.

Rustici waren immer einfache Bauten für die Tiere, das Heu oder bestenfalls, um den Sommer dort zu verbringen. Das gilt auch für nahezu alle Hütten, die nach den 70er Jahren renoviert und zum Landsitz für reiche Stadtbewohner ausgebaut wurden. Die Schwachstelle ist immer das Dach. Vor allem deshalb, weil man das nicht so leicht beurteilen kann wie die Wände. Da sehe ich Risse und bröckelnden Putz oder feuchte Stellen sofort. Am Dach nicht.

Deshalb könnt ihr nahezu immer davon ausgehen, dass das Dach besser aussieht als es ist – egal wie schlecht es aussieht!

Aber der Aufwand hält sich meist in Grenzen

Das ist die gute Nachricht: Die böse Überraschung schockiert zwar erst, in der Regel sind die Probleme aber schnell und mit nicht allzu großem Aufwand behoben. Man muss sich nur zu helfen wissen. Und dabei werde ich euch in nächster Zeit mit entsprechenden Blog-Beiträgen unterstützen.

Wo gibt’s einen Gutachter, der euch vor dem Kauf helfen kann?

Noch ein paar Worte zu Baugutachtern … weil ich fast jede Woche hierzu eine Anfrage bekomme …

Schwierig! Baugutachter kenne ich leider keinen. Ein befreundeter Architekt, der sich auf die Renovierung von Rustici spezialisiert hat, hat sich schon mal als Gutachter zur Verfügung gestellt. Aber der ist erst mal für einige Zeit gesundheitlich nicht mehr in der Lage, solche Aufträge anzunehmen, zumal man sich hierbei auch keine Freunde macht bei Maklern und Hausverkäufern. Ich selbst darf nicht als Baugutachter auftreten und könnte ohnehin nur eine eher oberflächliche Begutachtung vornehmen.

Ihr seid also wohl oder übel darauf angewiesen, eine böse Überraschung in Kauf zu nehmen. Aber wie gesagt: So schlimm ist es normalerweise nicht und irgendwie gehört das leider einfach dazu, wenn man sich in Italien eine Immobilie kauft.

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